Wer unseren Garten das erste Mal besucht, erlebt ein Überraschungsmoment. Rund um das Wohnhaus zunächst botanisches Gewusel: Der Vorgarten dicht an der Vorstraße besteht nur aus einem anderthalb Meter breiten Band Stauden, das Hainbuchenriegel untergliedern.
Am Hausgiebel beim Garteneingang zwei haushohe Kletterhortensien, auch der Eingangsweg ist dicht umstanden von Pflanzen. Clematis zur Rechten an der Hauswand, Forsythie, Schneeball und Hamamelis zur Linken, ihnen zu Füßen ein Teppich aus Katzenminzen, Bergminzen, Funkien und Wald-Storchschnabel.
Doch am Ende des geschwungenen Pflasterweges ändert sich das Bild: Der Blick weitet sich, wie ein Panorama liegt der Garten vor einem. Vorne eine ausladende Rasenfläche mit haushohem Walnussbaum, links der Küchengarten, rechts der Hof mit Fachwerkscheune, Staudenbeeten und Topfarrangements. Hinter der Rasenfläche große Staudenbeete rund um den Schwimmteich, danach die Obstbaumwiese mit Wiesenbeeten, dahinter eine Hecke als Gartenrahmen mit Guckloch in die Landschaft.
Wenn Besucher ihr Erstaunen über die lange Fern-Sicht äußern, argumentiere ich gerne, dass ich Licht, Luft und Weite brauche – im Garten wie im Leben. Lange Blickachsen sind mir mit den Jahren immer wichtiger geworden. Das Auge soll wandern können zu dem, was unmittelbar vor einem ist, und zu dem, was sich entfernter tut. Beim Fotografieren freue ich mich immer, wenn sich Blüten im Vordergrund mit mit dahinter und entfernt Liegendem zu spannenden Bildern verweben.
Staudenbeete mag ich überbordend, doch damit das Auge sich auch mal „ausruhen“ kann, braucht es klare Strukturen. Unsere formalen Hecken bringe ich deshalb alle paar Wochen „auf Linie“. Hier die abgezirkelte Fläche, dort das Fließende – aus diesen Gegensätzen entsteht eine Spannung, die den Garten prägt.
Von dem englischen Gärtner Monty Don habe ich gelernt, dass in einem „reifen Garten“ die Schere das wichtigste Werkzeug ist. Dem versuche ich zu folgen. Im letzten Herbst beispielsweise wurde mir bewusst, dass ich Hecken zu hoch und zu breit habe werden lassen. Um Licht, Luft und Weite war es nicht zum Besten bestellt. Also habe ich beherzt Hand angelegt und viele Hecken zurückgenommen. Ein radikaler Schnitt, den es aber zuweilen braucht. In diesen Wochen konstatiere ich denn auch zufrieden: Gärtnern auf lange Sicht hat unserem Garten gutgetan!