Ich brauch nicht viel, um gute Laune zu haben. Bei frühlingshaften Temperaturen muss ich nur einen Schritt vor die Haustür gehen. Ich strecke mein Gesicht der Sonne entgegen, atme tief durch und lausche. Wem? Den Vögeln! Schwups, schon bin ich im siebten Gärtnerinnen-Himmel.
Andere mögen das Singen von Vögeln als „Zwitscher-Terror“ (O-Ton im Bekanntenkreis) empfinden. Für mich ist es schlichtweg der Klang des Frühlings, der Weckruf ins Gartenjahr und Balsam für die Seele. Schon als Kind sang ich das allseits bekannte Lied „Alle Vögel sind schon da“ mit Inbrunst: „Welch ein Singen, Musiziern, Pfeifen, Zwitschern, Tierelier’n! Frühling will nun einmarschier’n, Kommt mit Sang und Schalle.“ Heute weiß ich ein wenig mehr über die Vogelwelt und bin doch immer wieder fasziniert von Einzelheiten.
Wussten Sie beispielsweise, dass vor allem die Vogelmännchen singen? Sie stoßen, wenn die Tage länger werden, mehr Testoteron aus. Deshalb singen sie kräftig, verteidigen damit ihre Reviere und locken Weibchen an. Damit alle Vogelarten gut zu hören sind, agieren diese zeitversetzt. Im Januar beispielsweise sind lediglich Blau- und Kohlmeisen, Stare und Grünfinken zu hören. Im Februar stimmen dann Singdrossel, Rotkehlchen, Amsel und Goldammer, Zaunkönig und Stieglitz in den Morgengesang ein. Komplettiert wird der Vogelchor im März durch Hausrotschwanz, Mönchsgrasmücke, Zilpzalp und Buchfink. Als letzte kommen im April Gartenrotschwanz, Rauchschwalbe, Kuckuck und Fitis hinzu.
Der Frühaufsteher unter den Sängern ist der Gartenrotschwanz, der schon 80 Minuten vor dem Sonnenaufgang seine Stimmbänder in Schwingung bringt. Der Star wiederum ist der Marathon-Sänger: Während die meisten Vögel nämlich nach dem Schlüpfen des Nachwuchses verstummen und so ihre Jungtiere schützen wollen, trällert der Star noch bis in den September hinein.
Studien, die den Zeitraum der vergangenen 25 Jahre untersuchten, haben außerdem herausgefunden, dass Vögel heute leiser und monotoner singen. Auch nimmt die Klangvielfalt ab, weil große Populationen von Feldlerchen und Kiebitzen fehlen.
Für mich ist der hörbarere Morgengesang nicht nur mein Weckruf ins Gartenjahr. Er ist auch die unüberhörbare Erinnerung: Jetzt spätestens sollten alle Vogelhäuser im Garten gereinigt und auf Vordermann gebracht werden. Damit eine neue Generation von Piepmätzen aufgezogen und später dann ins Vogelkonzert einstimmen kann!